Viel Aussicht auf den Genferesee

Durch die Rebberge nach St. Saphorin

6. Januar 2013 - Bilder unserer Wanderung

Den nachfolgenden Text habe ich in meiner Sammlung von Wandervorschlägen gefunden. Zwar passt er nicht so ganz zum Monat Januar. Nachdem jedoch gestern spätherbstliche Temperaturen herrschten, mag die Schilderung trotzdem passend sein. Gefehlt haben natürlich die Blätter an den Rebstöcken. Trotzdem war die Wanderung richtig toll und wiederholenswert.

Im Königreich des Weins

Das Weingebiet Lavaux gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Wer die mit Reben bedeckten, märchenhaften Hänge schon einmal durchwandert hat,  weiss warum.

Links, rechts, vorne, hinten: Rebstock reiht sich an Rebstock, einzelne Blätter leuchten herbstlich rot, orange und grün – die Trauben lesereif gelbgrün und violettblau. Oben der leicht bewölkte Himmel, und in der Ferne scheint das glitzernde Wasser des Genfersees uferlos zu sein – Frankreich oder der Gipfel der Rochers de Naye können nur erahnt werden. Vor weniger als einer Minute sind wir aus dem Zug in Lutry, einem Vorort von Lausanne, gestiegen, und schon befinden wir uns mitten in der Welt des Weins. Lavaux heisst die Region, die sich von Lutry bis Vevey erstreckt und seit 2007 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Den aussergewöhnlichen Weinterrassen und typischen Winzerdörfchen wurde damit Rechnung getragen. Mit zum Erfolg beigetragen hat die Volksinitiative von Umweltschützer Franz Weber von 1977 . Seither gelten hier strenge Bauvorschriften, und so konnte das Gebiet seinen ursprünglichen Charakter bewahren.

Wir passieren den Tour de Bertholod, einen burgähnlichen Bau aus dem 13. Jahrhundert und beobachten fünf Krähen im Tiefflug über den Reben – die wenigsten von ihnen sind mit Netzen vor den gierigen Schnäbeln geschützt. Vorbei geht es an Olivenbäumen und einigen Palmen, die für mediterranes Flair sorgen. Nach dem Örtchen Aran wandern wir ausnahmsweise nicht auf Teer, sondern auf einem Feldweg. Von hier aus bietet sich uns erstmals ein Panorama über den grünen Rebenteppich, der sich über die Hänge legt. Eingangs der nächsten Ortschaft Grandvaux wurde extra ein Parkhaus in den Hang hinein gebaut. Denn in den engen Gässchen des Winzerdorfes gibt es keinen Platz für die Autos. Das ist typisch für das Lavaux: Hier ist Dionysos, den Göttern des Weins. Alles muss sich dem Diktat der Reben unterordnen.

Edle Genüsse im Labyrinth der Reben

Kein Zentimeter des urbaren Landes wird verschwendet, nichts der wilden Natur überlassen. Die alten Wohnhäuser sind ineinander verschachtelt, die Bachläufe alle-samt korrigiert, und selbst im Strassenkreisel stehen einige Rebstöcke. Auch Hotels und Pensionen sind rar, sie finden in den Winzerdörfchen kaum Platz, kleine Restaurants mit feinem Essen hingegen schon. In Grand-vaux etwa «Le Pointu». In diesem von den Gourmetführern Michelin und Gault Millau ausgezeichneten Lokal lassen wir uns den Lieblingswein der Patronne Martine Riesen servieren: Rouge Désir – eine Assemblage von Gamay und Gamaret aus den Hängen um Grandvaux. Dazu serviert uns Martine einen butterzarten Hirschpfeffer.

Von Steinmauern gesäumt führt uns das Teersträsschen weiter in Richtung von Riex. Wir lassen uns zu einer Abkürzung hinreissen und folgen über steile Treppen einem Wasserlauf. Bald geht es nicht mehr weiter, wir queren den Hang über eine Mauer und stecken erneut fest. Erst nachdem wir einige Haken geschlagen haben, finden wir den Ausgang des Rebenlabyrinths und lernen: «Lieber den blauen Wegweisern folgen.» Wie in fast jedem Ort gibt es auch in Riex ein «Caveau des vignerons», wo jedes Wochenende ein anderer Winzer seine Weine zum Degustieren anbietet. Dieser Weinkeller befindet sich in einer kleinen Kirche. Und das passt bestens. Denn es waren Mönche, die bereits im 12. Jahrhundert in den steilen Hängen des Lavaux begannen, Terrassen mit Stützmauern anzulegen und Reben zu pflanzen. Über die Jahrhunderte entstanden so auf 40 Ebenen zehn tausend Terrassen mit 400 Kilometern Mauern. Am eindrücklichsten präsentieren sie sich in den Steillagen von Dézaley. Hier lässt sich erahnen, wie anstrengend früher die Arbeit der Winzer gewesen sein muss. Heute hilft immerhin der Helikopter. Farbige Drei- oder Vierecke, die auf Pfählen in den Reben stehen, helfen dem Piloten bei der Rebbehandlung und zeigen die Sammelplätze bei der Weinlese an.

Erwärmt von den drei Sonnen

In Rivaz lädt uns Winzer Vincent Chappuis zur Degustation seiner diversen St-Saphorin- und Dézaley-Weine ein. Eben ist er aus se-nem Rebberg zurückgekehrt und verkündet stolz: «95 Öchsle.» Ein Zuckergehalt, der einen feinen Wein verspricht. Dazu hätten die drei Sonnen des Lavaux beigetragen, sagt er geheimnisvoll. Damit meint er: die direkte Sonneneinstrahlung, die Rückstrahlung vom See und die gespeicherte Sonnenwärme in den Mauern. Unsere letzte kurze Etappe führt uns nach St-Saphorin, einem schmucken Winzerdörfchen am See. Hoch über dem Ort thront unsere Unterkunft für die Nacht: Auf dem Weingut «Domaine du Burignon» bietet Pächter Marc-Henri Mayor zwei Appartements, wo wir im Königreich der Reben den Tag ausklingen lassen können. Nun erfüllt im Lavaux noch die dritte Sonne ihren Dienst: die abstrahlende Wärme der kilometerlangen Stützmauern.

Wandern durchs traumhafte Lavaux
Anreise/Rückreise: Mit der Bahn via Lausanne nach Lutry und b St-Saphorin retour.
Tour: Lutry—Aran—Grandvaux—Chenaux—Riex—Epesses—Rivaz—
St-Saphorin (immer den blauen Rebberg-Wanderweg-Zeichen folgen).
Dauer: ca. 3¼ h.
Anforderung: Durchschnittliche Kondition.
Saison: Ganzjährig.
Ausrüstung: Gute und bequeme Schuhe, Kleidung dem Wetter angepasst.
Besonderes: Das Lavaux lässt sich sehr gut auch per Fahrrad erkunden.
Mietvelos: www.sbb.ch (zu finden unter: Reiselust, Freizeit; Velo + Bahn)
Restaurants/Übernachten: Restaurant Le Pointu, Grandvaux, 021 799 43 33,
www.lepointu.ch / Domaine du Burignon, St-Saphorin, 021 921 33 23.
Weitere Restaurants und Übernachtungsmöglichkeiten findet man via
Tourismusbüro.
Buchen/Infos: Montreux-V evey Tourisme, 1820 Montreux, 0848 86 84 84,
www.montreuxtourisme.ch (hier ist auch ein Prospekt mit
Übersichtskarte und eingezeichnetem Rebberg-Wanderweg erhältlich)

www.lavaux.com

Wanderroute
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